Wie konnte das passieren?
„Der lange Arm der Autoindustrie reicht bis ins Kanzleramt“. So lautet eines von mehreren beunruhigenden Zitaten aus dem neuen Arte-Dokumentarfilm „#Dieselgate: Die Machenschaften der Autoindustrie“. Der Film befasst sich mit dem Abgasskandal und geht der Frage nach, wie es möglich war, dass Fahrzeugkonzerne über Jahre Verbraucher mit manipulierten Dieselfahrzeugen sowie auch Benzinern betrügen konnten. Begleitet wird die Aufarbeitung des Abgasskandals seit dem Jahr 2015.
Dieselfahrer fühlen sich machtlos
Zu Wort kommen nicht nur betroffene Dieselfahrer, die sich machtlos fühlen, weil ihre Autos durch die Manipulationen um ein Vielfaches an Wert verloren haben. Auch ehemalige Mitarbeiter, die in die Betrügereien mit hineingezogen wurden, treten, zumeist anonym, vor die Kamera. Da ist die Rede von überraschenden Kündigungen und Verschwiegenheitserklärungen, die den einen oder anderen Beteiligten bis heute zum Verzweifeln bringen.
Die zentrale Frage dabei bleibt: Wie konnte es passieren, dass die Autoindustrie – unbemerkt – über Jahre Millionen von Kunden mit manipulierten Abgassystemen betrogen hat? Und warum will sich bis heute niemand so recht einer Schuld bewusst sein? Eine Antwort auf diese Fragen liefert der Film, indem er schildert, was über Jahre geschah und wie versucht wurde, zu vertuschen und zu täuschen, wo es nur geht.
Abgasskandal: Betrug von langer Hand geplant
Der Einbau von Abgas-Manipulationseinrichtungen war, das ist heute klar, von langer Hand geplant – und von höchster Ebene angeordnet. Dies zeigt auch sehr eindrucksvoll und anschaulich der Film „Der Fall Audi“. In verschiedenen E-Mails und Dokumenten, die später aufgetaucht sind, wird klar: Ja, es soll betrogen werden. Und ja, es ist uns egal, ob das legal ist – wenn nur die Marge stimmt.
Über Jahre wurden Dieselfahrzeuge nicht nur massiv manipuliert – sondern auch vor allem den Kunden in den USA als besonders sauber, umweltfreundlich und „green“ angepriesen. Damit wurden Verbraucher nicht nur betrogen, sondern regelrecht an der Nase herumgeführt.
In den USA hat man den Abgasskandal auch entsprechend weniger sanft aufgenommen: Geschädigte Kunden erhielten zügig Schadensersatz. Und einer der Beteiligten, Oliver Schmidt, wurde publikumswirksam zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Während Oliver Schmidt ins Gefängnis musste und sich heute, wohl zu Recht, als „Bauernopfer“ sieht, stehen die Verantwortlichen in Deutschland erst jetzt vor Gericht.
Unrechtsbewusstsein? Fehlanzeige.
Vor dem Landgericht München hat im September 2020, fünf Jahre nach Bekanntwerden des Skandals, der Diesel-Prozess begonnen. Die ersten ersten Top-Manager haben ihre Aussagen gemacht. Von einem Unrechtsbewusstsein ist jedoch bis jetzt nichts zu sehen.
Vielmehr wird der Abgasskandal als eine Art Verschwörung der Technik-Abteilungen hingestellt und man selbst habe davon selbstverständlich nichts gewusst. Wer kann, erscheint erst gar nicht zur Gerichtsverhandlung, wie Ex-VW-Chef Martin Winterkorn.
Den tausenden geschädigten Verbrauchern allerdings, die auf Dieseln, die durch falsche Abgaswerte heute als wertlos und schmutzig gelten, sitzen bleiben, hilft das leider nur wenig.